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25 herrliche Sommerzitate aus klassischer Literatur
Letzte Änderung am 29.12.2023 von Lenny Löwenstern
25 herrliche Sommerzitate aus klassischer Literatur
Diese Seite enthält, sorgfältig ausgewählt, gesammelte Zitate mit Wörtern zum Thema Sommer. Nicht irgendwelche Wörter sind hier zu finden, sondern besonders schöne Wörter. Alle Zitate stammen aus Klassikern der Literatur.

Hier geht es nicht nur sommerlich, sondern hochsommerlich zu. Viele Zitate beschreiben die Natur. Das weckt nicht nur Erinnerungen, vieles ist auch heute noch genau so; man muss nur rausgehen.

Schöne Wörter BücherEine Bibliothek der schönen Wörter … Ja, es gibt sie noch, die schönen Wörter. Begriffe mit dem besonderen Klang. Wörter, die Sehnsüchte und Erinnerungen in uns hervorrufen. Die Welt von damals, sie ist noch vorhanden. Erinnerungen an Altes und längst Vergessenes. Was verloren ging, ging nie ganz, die Sprache bewahrt es für uns. Hier ist eine wunderfrohe Blütenlese in Buchform mit den schönsten Wörtern der deutschen Sprache. Jetzt ansehen

Vielleicht machen die Zitate ja sogar Lust, mal wieder einen Klassiker zu lesen. Die Texte sind samt und sonders kostenlos zu lesen (zum Beispiel im Projekt Gutenberg) oder können für kleines Geld als eBooks erworben werden. Es gibt auch moderne Nachdrucke und natürlich das Antiquariat.

Die verwendeten Begriffe stammen aus der Liste: Die 99 schönsten Sommerwörter der deutschen Sprache. Dazu passen auch:

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99 sonnige Wörter für leuchtkräftige Texte ☀️☀️
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Inhaltsverzeichnis
Die schönste Sommerzitate aus klassischen Texten
Werkstattbericht
Die schönste Sommerzitate aus klassischen Texten
Über der weiten Landschaft aber liegt der blaue Sommerduft und ein Schweigen wie aus alten Tagen, in das nur fernes, verlorenes Glockenläuten von einem Kirchturm dringt.

Jacob Christoph Heer: Laubgewind, 1908.

Alma, das wundervolle, blonde Mädchen mit den dunklen, geheimnisvollen Sommeraugen, der sehnsuchtsvollen Stimme, hatte in den Sommerwochen einen Anbeter, wie ihn sich ein Götterbild nur hätte wünschen können, und er duftete sogar wie Weihrauch, nach Lorbeer, Kaffeepulver, Zitronenschale und Kardamom.

Helene Böhlau: Sommerseele, 1904

Die Luft ist durchsichtig und rein wie geschliffener Kristall. Kein Wölkchen überhaucht die spiegelklare Weite. Still und glatt liegt das Land im warmen Septemberlicht. Vorüber sind die schwülen Gewitterschauer blütenschwerer Maientage. Vorüber der blendende Hochsommerglanz auf grünen wogenden Weizenfluren. Die Sonne steht schräg über gelben Stoppelflächen. Es ist ein Septembertag, mild und reif und ruhig und ausgeblüht. Wie alle Farben schon tiefer glühen, und wie die Fernen zu leuchten beginnen!

Max Halbe: Der Ring des Lebens, 1909

Es ist solch eine Sommerseligkeit und solch Sommerleid in allem, was geschieht, so aus der tiefsten Seele heraus. Er ist ein Sommerkind. Sehen Sie doch die Menschen an, wie wenig Sonne haben alle in den Augen, kühle Frühlingsaugen, trübe Winteraugen; aber die beiden haben Sommersonnenaugen, da können wir andern alle nicht mitmachen.

Helene Böhlau: Sommerseele, 1904

Ich hatte jetzt das schöne Antlitz noch genauer gesehen; es war eine süße, durchsichtige Verkörperung von Sommerabendhauch, Mondschein, Nachtigallenlaut und Rosenduft.

Heinrich Heine: Reisebilder, 1826

Die würzige Sommerabendluft, die träumerische Stille, der Blumenduft und das einschläfernde Summen der Bienen hatten ihre Wirkung auf die Tante nicht verfehlt. Sie schlummerte über ihrem Strickstrumpf; ihre einzige Gesellschaft, die Katze, war in ihrem Schoße eingeschlafen.

Mark Twain: Tom Sawyers Abenteuer, 1876

Im Sommer pflegte der Knabe nur wenig zu Hause zu sein. Er saß mit dem Gänsebuben am Feldrain; stand bei dem Kutscher und sah zu, wie der Wagen gewaschen wurde; er that – er konnte es später nicht mehr sagen – was, es schien ihm jedoch, als habe jenes Leben bestanden aus unendlich seligem Hineinstarren in einen sommerblauen Himmel, aus dem Trinken des Duftes der sonnenwarmen Fichtennadeln, aus Aufstochern von Ameisenhaufen, aus gedankenlosem Hinausblicken auf die Felder, über denen der Abend herabdämmerte, aus Hinaushorchen in die Ferne, wo lettische Mädchen ihre Lieder singen.

Eduard Graf Keyserling: Die dritte Stiege, 1892

Und wie häßlich auch das Leben ist, dem ich entfloh und das mich erwartet – schön ist doch die sommerduftende Stille, in der ich hier atme. Schön ist die Nacht, die da draußen mit großen Sternen leuchtet. Schön ist das tiefblaue Rätsel des schlafenden Himmels und das graue Wunder der nachtverschleierten Berge!

Ludwig Ganghofer: Das Schweigen im Walde, 1899

Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden über Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feeen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.

Ludwig Uhland: Gedichte

Ein seltsames Leuchten war über dem Grase, daß es wie grünes Gold schimmerte und die Blumen wie Edelsteine flammten. Darüber lebte und webte die Luft von unzähligen Sommerfaltern, als hätten sie diese Waldlichtung zu einer großen Zusammenkunft auserlesen.

Heinrich Seidel: Das wunderbare Schreibzeug

Die steilen, weltabschließenden Wände ringsum mit ihren wilden Rosengehegen und blühenden Weißdorndickichten, durch die keines Menschen Fuß zu dringen imstande schien, die dazwischen sich dehnenden Wiesen und darüberhin millionenfaches Geleucht und Gefunkel von Blumenkelchen, daraus unzählige Sommerfalter lichtberauscht taumelnd emportauchten wie aus Zauberbann zur Freiheit sich losringende Blumenseelen …

Benno Rüttenauer: Alexander Schmälzle 1913

Eine frische, nach Sommerregen duftende Luft kam hereingeströmt. Man hörte das Klatschen der dichtfallenden Tropfen auf das Laub und das Rieseln aus einer Dachrinne.

Martha’s Kinder, Bertha von Suttner, 1902

Der Sommer zog herauf, die Felder dufteten, die Mohnblumen standen wie Blutstropfen im blühenden Korn, die Rosen, die Kirschen und alle Sommerblumen im Garten glühten. Die Linden vor dem Hause trugen ihre goldene Blütenlast und dufteten Sommersicherheit.

Helene Böhlau: Sommerseele, 1904

Wenn er in seinem Kahn saß und sich von der Sonne durchglühen ließ oder wenn er ausgestreckt auf seinem Lieblingsplatz im Schatten am Waldrand lag, dann wünschte er zuweilen, sie könnte diese Tage der Sommerfreude mit ihm teilen

Henrik Pontoppidan: Hans im Glück, 1898 -1904

Sass man in ihm, so war man ganz aus der Welt, rings nur nickten tausende von Blumen und spielten unzählige Schmetterlinge. Libellen schössen in reissendem Fluge darüber hin und standen dann plötzlich wieder wie angenagelt in der Luft; man hörte in der Stille das Schwirren ihrer Flügel. Von oben schaute das reifende Korn hinein, wogte im sanften Winde und wisperte seinen Sommergesang; fern schlugen die Wachteln, die Grillen zirpten und Gold- und Grauammern zwirnten ihr eintöniges Lied. Dort habe ich manchen Kindertraum geträumt.

Heinrich Seidel: Von Perlin nach Berlin, 1894

Neben dem Manne saß eine schlanke blonde Mädchengestalt in blauem Sommergewand; den kleinen, mit einem Vogelflügel verzierten braunen Hut hielt sie am Gummiband in der Hand. Der Kopf war groß und schwer, die mächtige Stirn durch reichüberquellendes, in Flechten gelegtes Haar noch gewaltiger, und zwei dicke Locken legten sich rechts und links auf Schulter und Brust. Das Antlitz des Mädchens war heiter und unbefangen, klar wie der helle Tag, der über der Landschaft leuchtete.

Berthold Auerbach: Das Landhaus am Rhein, 1869

Daß der Sommermorgen schön war, sage ich, weil ich heute noch sein Licht, seine Wärme, seinen Landstraßenstaub und seinen Waldduft in mir und um mich spüre.

Wilhelm Raabe: Ausgewählte Werke in sechs Bänden, 1964–1966

Leisen, süßen Duft atmete sie aus, auch die Sommerluft über ihr wiegte sich in weichen, schwingenden Wellen. Nicht immer zwar lachte und leuchtete der blaue Himmel herab, manchmal schütteten Wolken ihre Wasserstürze nieder. Doch der blühenden Heide galt es gleich, sie bedurfte keiner Beihilfe mehr, entfaltete ihren Sommerglanz täglich zauberischer aus sich selbst, und der Wechsel von Sonne und Regen erhöhte nur ihre Schönheit.

Wilhelm Jensen: Aus See und Sand, 1897

Nach sommerhaften Maitagen war ein Rückschlag eingetreten, ein kalter Nordost wehte, und Graupelschauer sprühte er über die erstaunten Halme. Die Sonne selbst schien zu frieren, so dicht verkroch sie sich in ihren Wolkenpelz.

Max Dreyer: Die Insel, 1920

Das Glück! – Wir sitzen, wenn wir jung sind, immer wie vor einem Vorhang und starren gebannt darauf hin und erwarten ein Zaubermärchen von dem Augenblick, wo er aufgeht. Indessen versäumen wir all die echten Gaben des Glücks, die es um uns ausstreut: die Liebe der Unseren, die Gaben des Geistes, die Frühlingsblumen und den Sommerhimmel. Mache nur die Augen auf und strecke die Hände aus, dann hast du sie.«

Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin – Lehrjahre, 1909

Ich lieb’ auch deiner Füsse Paar,
Wenn sie in Gras und Blumen gehn;
In einem Bächlein sommerklar
Will ich sie wieder baden sehn!

Gottfried Keller: Gedichte

Aus einem andern Wagen winkte ihr ein Ehepaar, flüchtig vom vorigen Jahre her bekannt, mit der ganzen ungemessenen Freudigkeit der Sommerlandbegrüßungen zu. Ein junger Herr in lichtgrauem Sommeranzug, eine sehr neue gelbe Ledertasche in der Hand, lüftete vor Beate den Strohhut.

Arthur Schnitzler: Frau Beate und ihr Sohn, 1913

Er stand mit Fräulein auf einem ganz besondern Fuß, hatte ihr sommerlang jeden Morgen aus dem eigenen Garten ein Sträußchen gebracht, das ihm die Mutter mitgegeben.

Ilse Frapan: Zwischen Elbe und Alster, 1890

Es war der vollkommene Frieden, eine vollständige Glückseligkeit, die unerschüttert und ruhig in der warmen Sommerluft sich badete. Ihr straff gespanntes Leibchen verdaute noch das Glück von gestern; ihre gepolsterten Hände, unter der Schürze versteckt, nahmen sich nicht die Mühe, nach dem Glücke des Tages zu greifen; sie ließen es ruhig herankommen.

Emile Zola: Der Bauch von Paris, 1873

Es tat uns wohl, den Überfluß unsers Herzens der guten Mutter in den Schoß zu streuen. Wir fühlten uns dadurch erleichtert, wie die Bäume, wenn ihnen der Sommerwind die fruchtbaren Äste schüttelt, und ihre süßen Äpfel in das Gras gießt.

Friedrich Hölderlin: Hyperion, 1797

Und was dann folgte, das ist mir wie ein Sommertraum – die kleine Stadt – die heiße Sonne – der Duft der alten Linden vor Eurem Tor – der blaue See – und überall Du in Deinem weißen Kleide – überall Du. Und ich neben Dir.

Rudolf Stratz: Herzblut, 1922

In der warmen Sommerstille blickte sie vom Ufer auf die Wasserlilien, die Weidenblätter und die Fische an der Oberfläche, atmete den Duft des Grases und der Wiesenblumen ein und überlegte, wie sie jeden dazu zwingen könnte, glücklich zu sein.

John Galsworthy: Zu vermieten, 1925, 3. Teil von »Die Forsyte-Saga«

Ein sommerwarmer Novembertag lag mit Sonnenglitzern über der Hauptstadt, und Unter den Linden drängte eine tausendköpfige Menschenmenge auf und nieder. An den kahlen Ästen der Lindenbäume flatterten noch ein paar welke Blätter als trübselige Reste der grünen Sommerfahnen. Die bunte Menge der Promenierenden aber strahlte und lachte mit dem Spätsonnenschein um die Wette, ging in der sorglosen Freude des Augenblicks auf und ließ das winterdrohende Morgen Morgen sein.

Dietrich Theden: Menschenhasser, 1904

25 herrliche Sommerzitate aus klassischer Literatur
Werkstattbericht
Die Bilder erschuf die künstliche Intelligenz DALL-E nach dem Zitat von Eduard Graf Keyserling: Die dritte Stiege, 1. Die abgebildeten Dinge existieren in der realen Welt nicht. Die verwendeten Fonts sind Anton (Google) und Alegreya Sans (Adobe).

KategorienSommer
SchlagwörterZitate
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In diesem Licht, das meine Haut so warm streichelt, tanzen die Bäume, jeder von ihnen in einem nur ihm gehörenden Kleid. Sie bewegen sich, vom Wind gelenkt, in perfekter Harmonie miteinander. Sie sind das Leben dieses Frühsommermorgens, und ich frage mich, wie viele Grüntöne meine Augen sehen. Während sie sich nach oben und außen zum Licht strecken und so reine Strahlen wie der Regen trinken, strecke ich auch meine Arme aus, die Finger zur Sonne gespreizt und sage danke für den schönen Tag.
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"Philosophie des Radfahrens":Die letzte humane Technik

Nur auf dem Fahrrad können wir uns bewegen, ohne die Haftung zu verlieren. So wird der Drahtesel zum Inbegriff der Menschlichkeit.Von Maximilian Probst18. Mai 2013, 11:14 Uhr23 Kommentare Tritt in die Pedale: Ein Teilnehmer des London Bike Polo im Jahr 2010 (Archivbild) © Ben Stansall/​AFP/​Getty Images

Inhalt

Auf einer Seite lesenINHALT

Fahrradfahren stand für mich immer in einem gefühlten Zusammenhang mit Revolution. Im Rückblick könnte ich es so erklären: Revolutionen sind Umstürze – und war es nicht diese Erfahrung des Umsturzes, der wir uns aussetzten, als wir lernten, Fahrrad zu fahren? Wir eierten los, stürzten um, es schmerzte, aber das schreckte uns nicht ab, wir schwangen uns zurück auf den Sattel und rollen seither fröhlich und gesund durchs Leben … Es gibt aber auch Leute, denen die Koppelung von Fahrrad und Revolution gar nicht einleuchten dürfte. Samuel Beckett zum Beispiel. In seinem Roman Molloy schrieb er: "Wie beruhigend ist es, von Fahrrädern zu sprechen" (und nicht über seine Mutter)!

Wenn der Satz stimmen würde, könnten Fahrrad und Revolution unmöglich zusammenfinden, man hat ja der Revolution allerhand nachgesagt, aber dass sie beruhigend ist? Jedenfalls dann nicht, wenn Philosophie für uns heißt, zu zweifeln oder zu staunen oder sich überraschen zu lassen, weil wir die Dinge mit der Philosophie plötzlich von ihrer Unter- oder ­Hinterseite sehen, im ­besten Fall auch mal von ihrer Schokoladenseite. Philosophie kann dann im Ergebnis beruhigend sein, aber eben nur als Ergebnis (selten als die Errungenschaft für immer, von der Thukydides spricht, meist nur als eine kurzlebige, momentane, flüchtige). Wäre es von vornherein beruhigend, über Fahrräder zu sprechen, würden wir nicht philosophieren. Dafür müssen wir das Fahrrad problematisieren. Das Problem sehen, das mit dem Fahrrad in die Welt gekommen ist. Und dann, im Durchgang der Problematisierung des Fahrrads, nach keuchendem Aufstieg, vielleicht, wenn's glückt, winkt ein entspanntes Hinabrollen.

Was nun ist das Ärgerliche am Fahrrad? Dass es das Paradies ist, aus dem wir vertrieben wurden. Vom Stand der Technik aus gesehen erscheint das Fahrrad als der Gipfel der Versöhnung von Mensch und Natur. Das Fahrrad als Versprechen einer humanen Moderne, einer humanen Technik, die sich symbiotisch zur Natur verhält. Das Fahrrad reißt den Menschen nicht aus der Natur heraus. Das Fahrrad ist dem Menschen zu Diensten, ohne dass er über ihm thront. Der strampelnde Mensch auf dem Rad taugte nie als Sinnbild von Hybris. Das Fahrrad ist das letzte Versprechen einer Technik ohne Dialektik, ohne Umschlag in die Katastrophe.

Nach dem Fahrrad begann eine neue Zeit. Unsere Zeit. Die Zeit des Krieges und der wechselseitigen Unterwerfung zwischen dem Menschen und einer zur zweiten Natur, zur Post-Natur erwachsenen planetarischen Technik. Es ist diese neue Technik, die sich quasi autonom den Menschen unterwirft, während der noch glaubt, sich über die Natur himmelhoch aufzuschwingen. Der Freiburger Wald-und-Wiesen-Philosoph Martin Heidegger hat das erstaunlich präzise zur Kenntnis genommen. Ebenso Ernst Jünger. Ein Satz aus seinem Skandal-Buch Der Arbeiter, der nicht verständlich würde, wären wir beim Fahrrad geblieben: "Es ist der Sinn des Verkehrs, dass wir überfahren werden."

MAXIMILIAN PROBST

schreibt als freier Autor für die ZEIT und die taz, wenn er nicht mit Hollandrädern durch die Stadt rollt, am liebsten mit klappernden. Das erübrigt die Klingelei auf den fußgängerbevölkerten Radstreifen von Hamburg.

Nun aber mal langsamer. Schauen wir einmal ganz genau hin, was beim Fahrradfahren passiert und was im Vergleich dazu beim Auto. Fangen wir mit einer alten denunziatorischen Beschreibung des Fahrradfahrers an: Der Radler buckelt nach oben und tritt nach unten. Höchst unschön, wenn wir diese Haltung innerhalb von ­gesellschaftlichen ­Hier­archien einnehmen. Wir können in der Haltung des Radlers aber auch die Haltung des Menschen gegenüber der Welt sehen, dann sieht das schon viel schöner aus. Der gekrümmte Rücken: eine Abkehr vom Himmel und allen Himmelsstürmereien. Hier ist unser Platz, nicht anderswo. Richten wir ihn uns so ein, dass er erträglich wird. Und das Strampeln: na ja, wir haben halt einen Körper. Wir haben nur ihn und wenn wir uns daran gewöhnt haben, ihn von A nach B zu bewegen, dann immer auch, um ihn selbst zu bewegen, er ist nie nur ein Mittel (dafür da, um unseren Geist in die Bibliothek zu lotsen), er ist immer auch Zweck in sich. Das Fahrrad trägt dem Rechnung.

Noch schöner am Strampeln: Wir rackern uns ab, aber hinterlassen keine Spuren! All die heiklen ideologischen Boden-Metaphern, Scholle, Acker, Wurzeln: Das Fahrrad lässt sie souverän hinter sich und unter sich. Die Haltung des Fahrradfahrers: Sie besagt, dass wir die Erde im Blick haben, nur sie, aber ihr nicht mehr verwurzelt sind, dass wir uns bewegen, uns aber nie erheben, nicht über die Strecke, nicht über den Körper. Ohne Wurzeln, aber auf dem Boden der Tatsachen!

Aber es ist nicht nur die Haltung, sondern auch ein entscheidendes Wissen, das der Menschheit auf dem technischen Stand des Fahrrads gegeben ist, bevor es mit dem Auto verloren geht. Ein konkretes, erfahrbares (das gilt fürs Fahrrad noch im Wortsinn), für alle nachvollziehbares Wissen um Zusammenhänge und Proportionen. Was passiert denn, wenn wir in die Pedale treten? Jeder weiß es: Wir fahren, und zwar je weiter oder schneller, je mehr Kraft wir dabei aufwenden.

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23 Kommentare

?Was denken Sie?H

Hardigan

8. April 2019 um 20:59 Uhr

Toller Artikel, danke!

Wenn man den Gedanken zu Ende führt, kann man ihn sogar vom Kopf auf die Beine stellen. Auf die eigenen...

Antwort schreibengu

gise_un

19. Mai 2013 um 10:56 Uhr

Radfahren = Revolution?

Zumindest muß man als Radfahrer keine Ahnung von Latein haben, was beruhigend ist.
Revolution hat im eigentlichen Sinne nichts mit einem Umsturz zu tun (Subversion), sondern mit der >UmkehrungUmdrehung<.
Wenn Sie wirklich ein Revolutionserlebnis beim Radfahrenlernen gehabt hätten, dann deshalb, weil nach der >Revolution< das Fahrrad auf Ihnen gesessen hätte und auf Ihnen geritten wäre. Das wäre eine wirkliche Revolution des Radfahrens, würde aber das Vorwärtskommen erschweren.

Angesichts dessen bin ich der Meinung, dass ich ohne Revolution des Radfahrens schneller zur Arbeit komme.

Antwort schreibenP

Plupps

19. Mai 2013 um 04:14 Uhr

Das Pedaluieren zu Kopf gestiegen

Mir macht Radfahren Spass - eine Weltrettung kann ich aber kaum daran erkennen
Wenn man so fabulieren will, kann man im Rad auch den Abstieg vom Pferd - ein Weg
weg vom lebendigen Partner hin zu seelenlos untertanen Maschine sehen ...

Und ansonsten: Jahres Durchschnittstemperatur Nortddeutschlandliegt bei 10 Grad,
meist durch Regen versüsst - ich glaube das erklärt, warum das Rad als alleiniges
Transpotrmittel nicht ganz so erfolgreich ist

⭐️ 14 AntwortenAntwort schreibenA

Apfelsaft3

18. Mai 2013 um 23:43 Uhr

Prioritäten...

Derletzt hörte ich was schönes:

"Lieber mit dem Rad zum Strand fahren als mit dem Auto zur Arbeit."

⭐️ 3Antwort schreibenA

Ausländita

18. Mai 2013 um 21:43 Uhr

I agree with you Mr. Probst

und ich finde das elektrische Fahrrad ist die dümmste Erfindung der Welt und der Menschheit.
Ich glaube an das Fahrrad!

⭐️ 2Antwort schreibent

theotheo

18. Mai 2013 um 21:17 Uhr

Die Krönung

Ohne jeden Zweifel ist das Fahrradfahren der Gipfel des Individualverkehrs. Dies schreibt nicht ganz ohne Stolz ein Überwinder verschiedener Alpen- und Pyrenäenpässe auf zwei Rädern.
Doch keine Rose ohne Dornen. Anders als manche Foristen schreiben, ist der Velo-Verkehr nicht ganz CO2-frei. Auch ist der Fortbewegung per Fahrrad eine nicht zu unterschätzende Beschränkung der Reichweite beschieden. Bei einer Tour mit Engländern äußerten diese über einen Mitradler, der nicht mehr mitkam: "He has bonked." Wahrscheinlich ein Spruch, der aus den Comics in die Sprache gewandert ist.

1 AntwortAntwort schreibenH

Hantipanti

18. Mai 2013 um 20:21 Uhr

Haftung verloren

Ich habe mehrere Male beim Fahrradfahren in der Kurve die Haftung zwischen Boden und Reifen verloren, die Schwellung des Knies hielt drei Monate an.

Antwort schreibence

cogito_ergo_sum

18. Mai 2013 um 19:26 Uhr

Wie Wahr(-Rad)

Ein wunderbarer Artikel, der Vorfreude auf das Buch weckt ...

⭐️ 1Antwort schreibenMEHR LADEN

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Die Erfahrung von Freiheit und ihre Grenzen

Kleine Philosophie des Fahrradfahrens

Mit dem Fahrrad Widerstände überwinden: Radfahrer auf einer überfluteten Straße in Köln © pa/dpa/GambariniVon Constantin Hühn · 06.08.2017
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"Auf eure Räder, um das Leben zu ändern!" forderte der Ehtnologe Marc Augé. Denn wer Fahrrad fährt, erfährt Freiheit und Unabhängigkeit. Und gleichzeitig die Grenzen der Freiheit: etwa wenn Frauen mancherorts das Fahrradfahren noch immer verboten ist.Aus dem PodcastSein und StreitPodcast abonnierenDer Wind rauscht in meinen Ohren, ich beuge mich ein bisschen tiefer über die Lenkstange. Je stärker der Wind mir entgegenbläst, desto kräftiger trete ich in die Pedale: links, rechts, links, rechts. Ich spüre meinen Atem schneller werden. Endlich biege ich ab und der Widerstand lässt nach. Mit dem Wind im Rücken richte ich mich auf, strecke die Arme zur Seite – und glaube, jeden Moment abzuheben.

"Das Fahrrad ist Teil unser aller Lebensgeschichte"

Wenn wir Fahrrad fahren, erfahren wir uns ein Stück Freiheit. Jeden Tag aufs Neue, wenn die S-Bahn streikt oder der Benzinpreis steigt. Aber auch in unserer persönlichen Entwicklung, wenn wir uns damit nach und nach die Welt erobern. Für den französischen Ethnologen Marc Augé ist das Fahrrad untrennbar verbunden mit dem Erwachsenwerden:"Das Fahrrad ist Teil unser aller Lebensgeschichte. Es fahren zu lernen, knüpft sich an besondere Momente unserer Kindheit und Jugend. Durch das Fahrrad hat jeder ein bisschen von seinen körperlichen Fähigkeiten entdeckt und eine Kostprobe der Freiheit erfahren, die sich damit verbindet."Marc Augé bei einem Auftritt im Jahr 2016© imago/Pacific Press Agency/Marco DestefanisAls ich mit fünf Jahren Fahrradfahren gelernt habe, war das mein erster Schritt in die Unabhängigkeit: erst mit Stützrädern, dann mit der elterlichen Hand auf dem Rücken. Bis ich schließlich ganz ohne Hilfestellung davongeradelt bin: zu meinen Freunden, am anderen Ende der Stadt. Seither haben mich meine wechselnden Fahrräder zuverlässig hunderte Kilometer durch die Welt getragen. Ganz ohne Treibstoff, nur durch eigene Körperkraft und mechanische Raffinesse. Wie es eine frühe Fahrradenthusiastin ausdrückte:"Die Maschine ist stets gebrauchsfertig. Frei und unabhängig von allem andern kann man auf die Minute bestimmen, wann und wo man sein will."

Radfahrende Frauen entscheidend für die Emanzipation

Vorbei an stehenden Stahlkolonnen, durch enge Gassen und zur Not ein Stück über den Gehweg. Das Radfahren ermöglicht, mit Immanuel Kant gesprochen, einen ganz konkreten "Ausgang aus der Unmündigkeit". Und zwar nicht nur für jeden Einzelnen, sondern auch gesellschaftlich: Noch vor 100 Jahren war eine Frau auf dem Fahrrad für manche ein Skandal. Als trotzdem immer mehr Frauen radelten, war das in den Augen mancher Frauenrechtlerinnen entscheidender für die Emanzipation als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammen. Und die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt war sich sicher:"Ich glaube, dass die Benutzung von Fahrrädern dabei ist, unsere Sitten tiefgriefender zu verändern, als man sich allgemein noch im Zweifel ist. All diese jungen Frauen, die losfahren und den Raum erobern, hängen einen Großteil des häuslichen Lebens an den Nagel."Fahrradfahren verändert die Sitten: Im 19. Jahrhundert galten Frauen auf dem Rad vielerorts noch als Skandal.© imago/LeemageFahrradfahren macht uns freier. Und konfrontiert uns zugleich mit den Grenzen dieser Freiheit: Meine eigenen begrenzten Fähigkeiten – wenn ich hinfalle oder einen Berg nicht schaffe. Die Widerständigkeit des technischen Materials – wenn mal wieder die Kette abspringt oder die Luft raus ist.Und schließlich politische Einschränkungen der Freiheit: Etwa, wenn Frauen mancherorts immer noch nicht auf den Sattel steigen dürfen. Der Film "Das Mädchen Wadjda" der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al Mansour erzählt von dieser Bevormundung. Aber auch, wie die Protagonistin mit allen Mitteln dafür kämpft, trotzdem Fahrrad zu fahren.

Eine Aufforderung, Widerstände zu überwinden

Und so stachelt uns das Radfahren im Idealfall auch dazu an, Widerstände zu überwinden, Grenzen zu verschieben: "Auf eure Räder, um das Leben zu ändern! Radsport ist Humanismus", wie Marc Augé schreibt.Für Marc Augé ist das Fahrradfahren Ausgangspunkt für eine 'effektive urbane Utopie': technischer Fortschritt, der allen gut tut und niemandem schadet. Ökologisch nachhaltig und gesellschaftlich egalitär. Bis zur Verwirklichung dieser Utopie ist es noch ein steiler Weg. Mit ein paar mehr Radwegen ist es nicht getan. Aber möglich ist sie. Schalten wir also ein paar Gänge runter, um den Anstieg zu schaffen.Mehr zum Thema
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Weinstöcke wohin das Auge blickt, auf sanften, manchmal auch steilen Hügeln, am Kamm, oft von Pappeln gekrönt, der Herbst hat das Laub schon in eine herrliche Farbenvielfalt getaucht, die Landschaft ist einfach zum Verlieben 
Herbst ist ein zweiter Frühling, wo jedes Blatt zur Blüte wird. – 
Wandern Sie einem wunderschönen Fluss oder Bach entlang durch unberührte Landschaften. Dieser Führer zeigt Ihnen die schönsten Wanderungen durch Wasserlandschaften in der Schweiz. Das in Kooperation mit dem WWF Schweiz entstandene Buch enthält alle Informationen, die Sie zum Wandern brauchen und zeigt leichte Wanderungen entlang von wunderschönen Schweizer Flüssen und Bächen wie der Orbe, dem Doubs oder der Reuss.

Wandern entlang von Fluss und Bach
Die Schweiz ist mit unzähligen Flüssen und Bächen gesegnet. Und trotz zahlreicher Verbauungen und der Zersiedelung weiter Landstriche gibt es sie noch: fast unberührte Wasserlandschaften. Diese Naturparadiese gilt es zu schützen, sie sind kostbar geworden. Das Buch präsentiert einige der schönsten Gewässer der Schweiz und empfiehlt dazu attraktive Wanderungen.

Die Schweiz ist voller eindrücklicher Wasserlandschaften, die sich hervorragend zum Wandern eignen. In diesem Buch finden Sie die schönsten dieser Wanderungen: Etwa am Doubs entlang, der zwischen schattigen Ufern munter über Steine sprudelt. Fast majestätisch fliessen dagegen riesige Wassermengen die Reuss hinunter.

Ein Wanderführer mit atemberaubenden Wasserlandschaften der Schweiz
Ganz anders wiederum sind der Fiume Calnegia im Tessin, der tosend über eine Felsstufe hinunterfällt, oder die Orbe, deren beeindruckendes Tosen sich in ihrer engen Schlucht entlang der Felswände vielfach verstärkt. Tiefe Ruhe wiederum strahlt das von mäandernden Wassern durchzogene Val Carciusa aus, durch das Sie von San Bernadino oder Nufenen her wandern können. Der Wanderführer führt sie durch all diese atemberaubenden Wasserlandschaften der Schweiz.

In diesem von WWF Schweiz herausgegebenen Buch führen Sie die Autoren und Journalisten Urs Fitze und Martin Arnold durch Oasen der Schönheit in der Schweiz, wo Sie sich vom Alltag erholen können: durch unzählige eindrückliche Landschaften mit unberührter Natur, die von seltenen Pflanzen und Tieren bevölkert werden. Entlang einem Fluss oder Bach – so ist Radeln am schönsten.
Von den Bergen am Horizont zog ein kleiner Bach in gewundenem Lauf dem fernen Flusse zu, umsäumt von Wiesenstreifen, hinter denen sich die Ackerbeete bis zu den belaubten Höhen hinaufzogen. Fröhlich lag die einsame Landschaft im Morgenlicht, seitab von der großen Völkerstraße.
Im Gasthof streckte ich behaglich meine Füße aus und schlürfte das mit Wasser entdunkelte Rebenblut langsam in die erhitzte Brust hinab, als ich an einem fernen Tische einen Unbekannten entgegnen
Doch diese Worte reichen bei weitem nicht aus, um die ganze Schönheit unseres Mühlviertels mit urtümlichen Landstrichen zwischen der Donau und dem Böhmerwald zu beschreiben.

Karge, schroffe Granitfelsen in eigentümlich anmutenden Formationen wechseln mit sanft-grünen Hügeln, geheimnisvoll Wälder mit plätschernden, glasklaren Bächen.
All dies erlebts du beim Radeln und wir geniessen es, wir GenussRadler

Rad fahren ist für viele immer noch eine Freizeitaktivität. Begriffe wie „Fahrradsaison“ legen nahe, dass man das Fahrrad nur unter geeigneten Umständen benutzen kann. Ohnehin ist Sprache ein geeignetes Mittel, um die Wahrnehmung zu beeinflussen. Ist von „schwachen Verkehrsteilnehmern“ die Rede, scheint es so das diese besonders auf sich aufpassen müssten. Und vielleicht will in einer Leistungsgesellschaft auch keiner zu den Schwächeren gehören. Neben der Sprache ist die gesellschaftliche Wahrnehmung ein weiterer Faktor der Einfluss hat: wer Ende der 70iger/Anfang der 80iger in Deutschland Fahrrad fuhr, hatte entweder kein Geld oder seinen Führerschein verloren. Oder hat halt Radsport betrieben. „Wir werden bald auf dem Dach und dem Heck unserer Autos Fahrradgestelle haben – wie heute Skihalter“ prognostiziert der Autor eines Buches „Mit dem Fahrrad unterwegs“ von 1975. 
Und doch ist Fahrrad fahren so viel mehr. Wenn ich versuche es zu beschreiben, erscheinen mir die Sätze und Formulierungen fast poetisch.

Einfach Rad fahren
Unterwegs mit dem Rad, ich fühle den Wind im Gesicht und auf der Haut an den Armen und Beinen, die Wärme der Sonne im Sommer und im Winter die beißende Kälte. Am liebsten mag ich die Fahrten am Morgen, wenn die Sonne gerade aufgeht und es noch kalt ist, aber das Versprechen eines Frühlings- oder Herbsttages in der Luft liegt. Frische Luft strömt in meine Lungen und ich habe das Gefühl, ich könnte die ganze Welt einatmen. Rad fahren bedeutet für mich, mit allen Sinnen erleben zu können. Ich rieche das frisch gemachte Heu im Herbst und im Sommer oder die Frühlingsblumen und den Wald ebenso wie das Watt oder die Salzwiesen der Nordsee. Bei uns mischt sich gerne zu unpassenden Zeiten der Geruch von Weihnachtsgebäck aus der örtlichen Keksfabrik darunter. Wenn es regnet dampfen vielleicht die Straßen oder ein modrig-schöner Geruch liegt in der Luft. Auf den Wiesen sehe ich auf dem Weg zur Arbeit Störche. Etwas weiter vorne kreuzen ein paar Rehe die schmale Straße, die vielleicht so früh noch nicht mit einem Reisenden gerechnet haben. Der fast lautlos dahin gleitet. Nebel schwebt über den Weiden und hängt zwischen den Bäumen der Alleen. Irgendwo knirscht auf einigen Metern Schotter unter meinen Reifen, im Winter ist es der Schnee. Wenn ich stehen bleibe, ist es hier draußen absolut still. Irgendwo in der Ferne höre ich eine Kuh rufen. Fahrrad fahren ist voller sinnlicher Eindrücke, Geräusche, Gerüche, Eindrücke, Wärme und Kälte, Sonne, Wind, Regen, Nebel und Schnee. Und ich mittendrin.


Wenn ich Rad fahre, merke ich schon nach wenigen Minuten eine Veränderung. Körperlich durch die gleichmäßige Bewegung und auch mental. Durch die Fülle unterschiedlicher Eindrücke einerseits und eine innere Veränderung andererseits. Ich komme im wahrsten Sinne des Wortes auf andere Gedanken und meine Muskeln und der ganze Körper in Bewegung. Dafür muss ich gar nicht schnell oder sportlich-ambitioniert unterwegs sein. Im Gegenteil: beim wenig anstrengenden Dahingleiten, bei einem gleichmäßigen Puls und ohne dabei wirklich ins Schwitzen zu kommen, ist der angenehme Effekt am größten. Rad fahren hat dann etwas beruhigendes, etwas spirituelles, fast meditatives. Nachweislich kommt das Gehirn nach ungefähr 30 Minuten gleichmäßiger Bewegung bei einem Puls bis 120 Schlägen pro Minute in einen anderen Verarbeitungsmodus. Ein Effekt, den man sich auf verschiedene Art und Weise zunutze machen kann – medizinisch, therapeutisch ebenso wie zum Beispiel für kreative Prozesse. Vor allen Dingen dann, wenn man diesem Modus über die erste halbe Stunde hinaus aufrecht erhält und einfach weiter fährt. Ein Großteil meines Buchmanuskripts ist in Gedanken auf dem Rad oder in einem guten Wechsel aus Bewegung und Schreiben entstanden.
Ich bewege mich aus eigener Kraft durch Zeit und Raum und das gibt mir ein unverfälschtes Gefühl von Distanzen und Körperlichkeit. Über den Weg unter mir, den Lenker des Fahrrades, durch die Bäume und über die Wiesen sehe ich den Horizont oder Berge und vielleicht schon mein Ziel, dass ich erreichen möchte. Und das völlig unabhängig davon, ob das der Bahnhof auf dem Weg zur Arbeit ist oder die Kirche des nächsten Ortes auf einer langen, mehrtägigen Radreise. Und selbst ohne Ziel oder Zwischenstation gleiten Rad und Gedanken dahin. Ich habe dann ein starkes Gefühl von Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Fahre ich zu zweit oder in der Gruppe, sind die Gespräche meist tief und reflektiert oder auf eine angenehme Art belanglos. Und fast immer spielt dabei die Gleichmäßigkeit der Bewegung und das Erleben der Umgebung und ihrer unmittelbaren Einflüsse auf den eigenen Körper eine Rolle. 


Egal ob lange mehrtägige Tour oder die Fahrt zur Arbeit oder zum Bäcker: Rad fahren ist irgendwie grenzenlos.

Per Rad: immer und überall
Und auch die Stadt per Rad ist voller Eindrücke und Abwechslung. Der Geruch von frischem Brot und Brötchen flutet die Straße, wenn ich an der Bäckerei vorbei komme. Oder die Gerüche des Marktes erinnern mich an frisches, selbst gemachtes Essen, an Ernte. Mittlerweile gibt es bei uns vor Ort wieder einen Gemüsebauern und ich kann auf meinem täglichen Weg die landwirtschaftliche Arbeit sehen und erleben. Im Sommer scheint die Luft über dem Asphalt zu stehen und im Winter pfeift der kalte Wind um die Ecken der Häuser und trifft mich unerwartet hart von der Seite. Und es gibt noch mehr zu erleben, ich bin nicht allein. Da wo das möglich ist, begegnen sich alle auf Augenhöhe, jeder geht und fährt seiner Wege und doch sind wir Teil eines Ganzen. Ich höre Gesprächsfetzen und mache mich beim Überholen leise bemerkbar. Da wo sich Wege kreuzen treffen sich Blicke und in stummer Übereinkunft wird die Weiterfahrt geregelt. Dabei kommen sich die Menschen so nah, dass sie nur den Arm ausstrecken müssten, um sich gegenseitig zu berühren. Das gesprochene Wort erreicht den anderen ohne das es laut artikuliert werden müsste. Rad zu fahren, ist eine angenehme Herausforderung und als Gleicher unter Gleichen Straßenverkehr zu erleben, ist ein grandioses Gefühl. 


Kalte Finger, Wind, Regen, Schnee? Man merkt immer, dass man draußen und in Bewegung ist. Ein Gefühl, dass ich um nichts auf der Welt missen möchte.

Spätestens an dieser Stelle, dürfte der Eine oder die Andere aus meiner fast romantischen Beschreibung ausgestiegen sein. Vielleicht auch schon viel früher, zum Beispiel beim Gedanken an kalte Fingerkuppen im Winter oder schmerzende Beine bei Gegenwind und Steigungen. Aber Augenhöhe und das Gefühl von Gleichheit? Wo gibt es so etwas, könnte man fragen. Und die Antwort ist bestechend einfach: da wo Verkehr und insbesondere Radverkehr auf diese Art organisiert, geschützt und vereinbart wird. In Städten wie Amsterdam, Kopenhagen oder Groningen zum Beispiel. Dort kann man es beobachten und mit ein bisschen Übung selbst erleben. Von diesem Erleben sind wir vielerorts allerdings weit entfernt. Und auch deswegen habe ich mich bemüht, meine Gefühle und mein Empfinden auf dem Rad so gut es eben geht in Worte zu fassen. Weil in diesem Mangel an Erlebnis meines Erachtens eine der Ursachen dafür liegt, dass wir nicht Rad fahren. Uns begegnet häufig genug Ungleichheit, Gefahr, Lautstärke und Geschwindigkeit. Unsicherheit oder Leichtigkeit hat in unseren Städte und auch jenseits der Stadtgrenzen häufig keinen Platz. Und während wir keinen Sinn für das gemeinsame entwickeln können, sind Angst und Gefahr für uns häufig greifbar und objektiv begründbar. Rad fahren ist dann nicht nur anstrengend und die Situation unübersichtlich, sondern regelrecht gefährlich. Und auch körperliche Grenzen, zum Beispiel durch Wärme, Kälte oder Steigungen und Wind werden uns unmissverständlich vor Augen geführt. 
Und dennoch können wir sowohl Sicherheit und Gleichheit auch hierzulande erleben. Genauso wie wir körperliche Grenzen und Herausforderungen überwinden können. 


Gemeinsam und geschlossen: Critical Mass, Kidical Mass und Fahrrad-Demos fordern vermeintlich, was sie unmittelbar für die Teilnehmer selbst bieten. Schutz, Gemeinschaftsgefühl, Erleben auf dem Rad und in der Gruppe. Verkehr sollte Gleichheit und Augenhöhe ermöglichen – mit dem Rad geht das.

Auf Augenhöhe? Geht mit dem Rad
Der Wunsch, geschützt und sicher, mit uneingeschränkt positivem Erlebnis und vielleicht auch in der Gruppe Rad zu fahren, scheint bei vielen Menschen ausgeprägt zu sein. Auch wenn es hierzulande nur wenige Möglichkeiten gibt, erfreuen sich zum Beispiel ausgewiesene Radrouten vor allen Dingen bei Touristen großer Beliebtheit. Radtourismus liegt schon seit vielen Jahren im Trend und es ist ein Bemühen erkennbar, lange, zusammenhängende und sichere bzw. attraktive Radrouten auszuweisen und zu unterhalten. Und auch dieses Bemühen, trifft im Zweifelsfall irgendwann auf die harte Realität der Verkehrsplanung und unterschiedlicher Bedürfnisse. Und dann enden Streckenabschnitte, die exklusiv für den Rad- und Freizeitverkehr vorgesehen sind und Schutz- und Rückzugsräume bieten an Hauptverkehrsstraßen mit schlechter oder mangelnder Infrastruktur für Radfahrer. 

Infrastruktur, also Radwege, Radrouten, Fahrstreifen usw. stehen vielleicht auch deshalb häufig im Mittelpunkt technisch und sachlich orientierter Diskussionen. Obgleich sie aus meiner Sicht lediglich Mittel zum Zweck für ein positives und vor allen Dingen sicheres Raderlebnis sind. Ironischerweise werden Radproteste und -intiativen mit diesen konkreten thematischen Diskussionen in Verbindung gebracht, obgleich sie tatsächlich zunächst einmal für sich genommen das Erlebnis ermöglichen, das unter Umständen so kläglich vermisst wird. Nämlich gemeinsam, sicher, mit dem Gefühl der Verbundenheit untereinander und geschlossen Rad zu fahren. 


Mir fallen nicht viele natürliche „Gegner“ ein, die ähnlich schnell, schwer und unberechenbar sind wie ein handelsübliches Auto.

Der menschliche Körper ist für gleichmäßige und lang anhaltende Bewegung ausgelegt. Hast Du manchmal das Gefühl, Du müsstest Dich viel mehr bewegen im Verlaufe des Tages? Reicht Dir die Bewegung durch Sport – im Sinne von Training – oft nicht aus, um diesem Gefühl entgegen zu wirken? Dieses Gefühl trügt nicht: aktuelle Untersuchungen legen nahe, dass sportliche Betätigung das Bewegungsdefizit nicht ausgleichen. Und entwicklungsphysiologisch macht der Wunsch nach nahezu dauerhafter Bewegung durchaus Sinn. Waren wir doch als Jäger und Sammler vor allen Dingen darauf angewiesen uns zu bewegen um Nahrung zu finden oder unserer Beute nachzustellen – stundenlang und jeden Tag aufs Neue. 

In unserer modernen Gesellschaft ist dauerhafte Bewegung nicht mehr nur nicht notwendig, sondern in vielen Belangen scheint sie auch störend. Sich dauerhaft zu bewegen, gehört nur noch in wenigen Berufsfeldern dazu und selbst in der Freizeit hängen wir einer mit etwas Distanz durchaus als seltsam erkennbaren Vorstellung von Effizienz nach: Wir fahren mit dem Auto ins Fitnesssudio, zum Spaziergang mit dem Hund, beinahe buchstäblich mit dem Fahrstuhl zum Stepper ins Fitnessstudio. Aber auch fernab solcher bemerkenswerten Verhaltensweisen stehen zu Fuß gehen und Rad fahren bei Vielen nicht hoch im Kurs. Sicher gibt es auch hier geschlechts- und altersspezifische Unterschiede in der Summe zeigt sich aber alleine anhand der breiten Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder strukturellem Übergewicht in vielen Bevölkerungsschichten die Auswirkungen mangelnder, dauerhafter Bewegung.


Bewegung liegt in unserer Natur
In diesem Zusammenhang möchte ich weniger auf die positiven gesundheitlichen Auswirkungen des Rad fahrens eingehen oder gar auf die Unterschiede zum Autofahren, das mit nahezu Null Bewegung einhergeht. Dies scheint mir hinreichend durch andere Veröffentlichungen und Untersuchungen beschrieben und belegt. Ich möchte hier auf den menschlichen Aspekt eingehen, den Wunsch und den Bedarf sich zu bewegen und die Einschränkungen, die ein weit verbreiteter Lebensstil und gesellschaftliche Erwartungshaltungen mit sich bringen. Mir ist das vor allen Dingen auch durch eine schwere demenzielle Erkrankung im engsten Familienkreis bewusst geworden. Mit fortschreitender Erkrankung und Verlust der kognitiven Leistungsfähigkeit, fing die betreffende Person an zu laufen. Stundenlang am Tag und ohne Richtung oder Ziel. Zunächst zu Hause und im häuslichen Umfeld und später in einer spezialisierten Einrichtung, die baulich auf diese Erscheinung vorbereitet war. Denn es handelt sich um eine klassische Begleiterscheinung der Demenzerkrankung, die daraus resultiert, dass der Körper dem natürlichen Impuls folgt, während das Bewusstsein keine Gründe gegen diese Bewegung formuliert. Weil es krankheitsbedingt in wesentlichen Teilen außer Funktion gesetzt wurde. Nun könnte man diese Begleiterscheinung als pathologisch betrachten und vor allen Dingen den Verlust des Kognitiven bedauern. Andersherum stellt sich die Frage: wenn der Körper den Impuls hat sich zu bewegen – wie schaffen wir es diese Bewegung in den Alltag zu integrieren? 

Ich selbst habe das Bewegungsdefizit auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Ich war gerade einmal Anfang 30 und ein junger Ingenieur, der vor allen Dingen im Sitzen arbeitete und knapp 40 tausend Kilometer im Jahr Auto fuhr, als ich chronische Rückenschmerzen und später die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls bekam. Ich bin dann aufs Fahrrad umgestiegen und haben vor allen Dingen den Weg zur Arbeit mit Rad und Bahn zurückgelegt. Das war einer von mehreren Bausteinen, um letztlich über Jahre beschwerdefrei zu werden. 


Das suchen wir und davon träumen wir: geschützte – man sagt: wenig befahrene – Strecken und meint, Straßen wo man gefahrlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein kann.

Wenn ich heute mit dem Fahrrad unterwegs bin, merke ich recht bald die positiven Auswirkungen auf meinen Körper und ich behaupte, selbst das Gefühl im Kopf realisieren zu können, wenn sich Verarbeitung im Gehirn umstellt und auf andere Areale verlagert. Oft spricht man davon, beim Laufen oder Rad fahren „den Kopf frei zu bekommen“ und liegt auch damit instinktiv richtig. Diese Zusammenhänge kann man sich zu Nutze machen und zum Beispiel in geeigneter Form in entsprechende Formate integrieren. Oder man integriert andersherum diese Art der gleichmäßigen Bewegung in den Alltag, zum Beispiel auf dem Weg von und zur Arbeit, Freizeitaktivitäten oder Erledigungen. Wenn es gelingt, die positiven Auswirkungen der Bewegung auf den Körper und Geist zu fokussieren und bewusst wahrzunehmen, dann hat diese Art der gleichmäßigen Bewegung fast schon etwas meditatives. Ein Spaziergang, das zu Fuß zum Einkaufen gehen oder die Ausfahrt mit dem Rad, wird dann zu bewussten Ausbrechen aus scheinbar vorherbestimmten Mustern. Gleichzeitig hat die Bewegung natürlich positiven Einfluss auf den Körper selbst, das Herz-Kreislauf-System u.v.m.
Es ist dieses bewusste Erleben von Bewegung und ihrer Integration in alltägliche Abläufe, die aus meiner Sicht einen entscheidenden Unterschied ausmachen. Sie erlauben eine zutiefst körperlich-geistige Resonanz, die uns bei vielen anderen Betätigungen verwehrt bleibt. Gleichzeitig spielt sich dieses Erleben jenseits und weitestgehend unabhängig von äußeren Bewertungsmaßstäben ab. Dauerhafte, gleichmäßige Bewegung und ihre positiven Auswirkungen auf unseren Organismus sind unabhängig von unserer Weltanschauung, politischer Einordnung zum Beispiel auch des Radverkehrs oder wirtschaftlicher Fragestellungen wirksam. 
Rad fahren ist in idealer Weise dazu geeignet, Bewegung in den Alltag von Menschen zu integrieren. Und zwar völlig unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungsstand oder sozialer Herkunft. Rad fahren gehört neben dem zu Fuß gehen zu den erschwinglichsten und am besten verfügbaren Fortbewegungsoptionen. Ja, das Fahrrad ist ein Verkehrsmittel und wird dennoch vielfach als reines Sportgerät wahrgenommen. Und doch ist Rad fahren weit mehr als das eine oder das andere. Wenn es gelingt Radverkehr so zu gestalten, dass die objektive Gefahr zum Beispiel durch Autoverkehr minimiert wird, lässt sich das gesamte positive Potenzial des Rad fahrens heben. Und dies reicht, wie man an verschiedenen Orten der Welt beobachten kann, weit über den einzelnen Menschen hinaus. Rad fahren kann dann Interaktion in der Gruppe und zwischen Menschen bedeuten und das Bild von Miteinander und damit von Gesellschaft prägen.
Dort wo es gelingt, Radverkehr effektiv zu fördern und eine Vielzahl von Wegen auf das Fahrrad zu verlagern, kann man beobachten, dass die unterschiedlichsten Menschen Rad fahren. Ältere ebenso wie junge, Frauen und Männer, für alltägliches, berufliches und in der Freizeit. Die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit das Rades als Fortbewegungsmittel spiegelt sich dann in der Nutzung und im Straßenbild wider. Ein Effekt, der sich auch auf die Wahrnehmung von Gesellschaft und dem Empfinden von Gleichheit niederschlägt. Fast überall in den Niederlanden gehört das Fahrrad als fester Bestandteil des Alltagslebens zum Straßenbild dazu. Saskia Kluit, damals Vorsitzende des Niederländischen Fietsersbond formuliert es im Interview so: „Cycling builts trust in society in bigger scale.“ (Doku „Why we Cycle“)


Nachdem ich die Doku „Why We Cycle“ geschaut habe, dachte ich es wäre leicht ein Buch darüber zu schreiben, warum wir, im Gegensatz zu den Niederländern, nicht Rad fahren. https://whywecycle.eu
Nachdem ich die Doku „Why We Cycle“ geschaut habe, dachte ich es wäre leicht ein Buch darüber zu schreiben, warum wir, im Gegensatz zu den Niederländern, nicht Rad fahren. https://whywecycle.eu

Was ist, wenn man dieses Gefühl aber nicht erleben kann? Was, wenn der Zugang zu einem vertrauensvollen Miteinander verbaut ist? Es ist ein bisschen so wie bei der Fahrt mit einem E-Bike oder Pedelec: man muss sich nicht einmal dagegen sperren so ein Fahrrad auszuprobieren – erst wenn ich die ersten Meter damit gefahren bin, verstehe ich die Begeisterung und erkenne die Möglichkeiten. Fahrradfreundliche Rahmenbedingungen sind ungleich schwerer „erfahrbar“. Natürlich kann man Städte und Länder besuchen, in denen das Rad fahren zum Alltag und entsprechenden Infrastruktur zum Standard gehört. Aber wer nimmt diese punktuelle Erfahrung mit nach Hause und versucht daraus etwas für sich zu entwickeln. Und ist es nicht vielmehr frustrierend zu erkennen, wie weit unter Umständen der Weg in diese Lösungswelt ist. Viele reiben sich hierzulande daran auf, dass das was einfach zu erreichen scheint so lange so weit weg und faktisch unerreichbar bleibt. Und anstatt Gleichheit und Sicherheit zu erfahren, erleben wir hierzulande oft Ungleichheit und tatsächlich auch Gefahr. Ich kann ein Buch über das Erleben von Bewegung und die positiven Auswirkungen des Radfahrens schreiben und auf dem Weg nach Hause bei erster Gelegenheit von einem LKW in einer unübersichtlichen Kurve überholt werden. Dabei muss mir nicht einmal etwas passieren oder ich unmittelbar in Bedrängnis geraten: das Gefühl von ungleichen Verhältnissen und der mangelnden Berücksichtigung meines Bedürfnisses unverletzt zu bleiben, stellt sich völlig unabhängig davon ein. 

Hier geht’s zum Beitrag über Emanzipation und Diversität.

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BUCH LIFE CYCLERAD-CAFÉTERMINE
Landschaftsbeschreibung Im Halbschatten am Geländer der alten Aussichtsterrasse. Tief unten das Durchbruchtal. Ein paar Eichen lassen ihr Blattwerk im Wind treiben, junge Birken haben sich bis an den äußersten Grat schroffer Felsen gewagt. Gelassen fließt ein mächtiger Fluss durch die Szenerie. Der warme Sommerwind ist das Einzige, was in der Stille zu hören ist. Tausendfach streicht er mit sanfter Hand über die Blätter der Bäume und erzeugt ein gleichmäßiges Rauschen. Das Sattgrün der Wiesen an den Hängen wirkt wie auf einem Werbeplakat für einen Familienurlaub in den Bergen. Es könnten Kühe weiden und mit ihrem gleichmäßigen Wiederkäuen die Gelassenheit des Augenblicks ausdrücken. Ein Bauer hat seine Wiese zur Hälfte gemäht. Auf der bearbeiteten Seite sind symmetrische Linien und Strukturen zu erkennen, auf der anderen Seite dagegen leuchtet gelb ein Meer von Wiesenblumen. Das Wogen der Halme, zurückgelassen, ist zum bewegten Ausdruck von Musik geworden. Ein gleichmäßiges Raunen und Singen steigt aus dem Tal, an den Gefangenenchor aus Verdis Oper Nabucco erinnernd. Zieht, Gedanken, auf goldenen Flügeln, zieht, Gedanken, ihr dürft nicht verweilen! Doch die Ufer des Jordans sind weit, die goldene Harfe liegt achtlos im Gras. Und das Gefühl im Herzen könnte groß werden: Heimat, Landschaft und die glorreiche Zeit. Singe, Harfe, in Tönen der Klage. Glückliche Erinnerungen schweben über das Tal und suchen nach Menschen, die sie befallen. Die Ruhe ist stark. Musik erklingt nur in Bildern. Ein Frieden liegt über dem Land.   

An den Ufern des Flusses sorgsam gepflegte Wanderwege, die man mit dem Auge entlang gehen kann. Einer, neben der Eisenbahnlinie verlaufend, streift das kleine Dorf mit den reizenden Fachwerkhäusern. Auf dem Dorfplatz sieht man einen Kirchweihbaum, an den wohl Kinder des Ortes bunte Bänder geknüpft haben, die nun eifrig im Winde flattern. Zeichen für ein ausgelassenes Fest, das hier stattgefunden hat. Jetzt aber ist alles still. Die Häuser liegen da wie im Schlaf. In den Gärten stehen die Sommerblumen in voller Blüte. Der Weg schlängelt sich weiter am Rande des Flusses, bis sich das Tal schließlich öffnet. Straßen und Industriegebäude kommen hinzu. Und immer schmaler werdend der Weg, mit bloßem Auge bald nur noch als fahle, graublaue Linie zu erkennen, bis endlich, dort am Horizont, an der Grenze von blaugrün schattierten Wäldern, Feldern und Wiesen, am Übergang zum im tiefsten Blau strahlenden Himmel, die Ruine des havarierten Kernkraftreaktors auftaucht.
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